Die Nachbarschaft bei den Landlern. Eine spezifische Sozialstruktur in den siebenbürgisch-sächsichen Dörfern Siebenbürgens
                                    
                
                                    
                                
                
                    Abstract
In   den   siebenbürgisch-sächsischen Dörfern   bildete   die Nachbarschaft eine wichtige soziale Institution. Dieses Sozialsystem dürfte bereits mit den ersten deutschen Siedlern nach Siebenbürgen gekommen sein. Im Rahmen eines Forschungsprojektes lernte der Autor diese Organisation auch bei den aus Österreich stammenden Landlern kennen. Bei den Landlern handelt es sich um Protestanten, die im  18.  Jahrhundert  wegen  des  Festhaltens  an  ihrem  Glauben  strafweise  nach Siebenbürgen  transmigriert  wurden.  Sie  wurden  in  Neppendorf  (Turnişor),  Großau (Cristian)  und  Großpold  (Apoldu  de  Sus)  angesiedelt,  wo  sie  sich  neben  den siebenbürgisch-sächsischen Glaubensbrüdern behaupten konnten. In Neppendorf und Großpold bildeten sie sogar die Mehrheit. Ihre Identität schöpften die Landler aus der eigenen  Sprache,  die  sie  aus  ihrer  Ursprungsheimat mitbrachten  und  die  von  den Sachsen  nicht  verstanden  wurde,  und  aus  der  spezifischen  Kleidung.  Die Eigenständigkeit der beiden Nationen äußerte sich in der getrennten Sitzordnung in der Kirche.  Dennoch  bildete  die  Kirche  den  gemeinsamen Kommunikationsort  und gleichzeitig  die  höchste  moralische  Instanz,  der  man  sein  Leben  unterordnete. Sauberkeit, Ordnung und ein hohes Arbeitsethos bestimmten das Leben. Der einzelne war eingebunden in das von der Gemeinschaft vorgegebene System. Dazu zählte neben der  Bruder-  und  Schwesterschaft,  in  der  sich  die  jungen  Menschen  nach  der Konfirmation fanden, die Nachbarschaft, die die Landler erst in Siebenbürgen kennen lernten und von ihren sächsischen Glaubensbrüdern übernahmen.  Im   Gegensatz   zur   „Freundschaft“,   der   Verwandtschaft,   bildete   die Nachbarschaft  den  Verband  der  verheirateten  Hofbesitzer  einer  Dorfstraße,  einer Häuserzeile   oder   eines   Viertels.   Den   gleichberechtigten   Mitgliedern   einer Nachbarschaft stand ein „Altnachbar“ vor, der sein Amt in der Regel zwei Jahre lang ausübte  und  dann  an  den  Hofnachbarn  übergab.  In  seinem  Haus  fanden  die Zusammenkünfte  statt,  er  bewahrte  das  Nachbarschaftsinventar.  Er  überwachte  die Einhaltung  der  in  den  Statuten  festgelegten  Regeln und  sorgte  dafür,  dass  die Nachbarschaft  ihren  Verpflichtungen  gegenüber  der  Kirche  (dem  Pfarrer)  und  der Dorfgemeinschaft nachkam. Zu seinen besonderen Aufgaben gehörte die Organisation des Begräbnisses. Durch die Auswanderungswelle der Sachsen und Landler kommt es gegenwärtig zur Auflösung der Nachbarschaften.
                 
                
                    Keywords
Sozialsystem, Landler, Neppendorf, Großau, Großpold.